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Anmeldungsdatum: 01.11.2004
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 Verfasst am: 24. Aug 2007 21:27 Titel: Geschichtliche Zyklen und deren Fluchtmöglichkeiten |
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Da zur Zeit nicht besonders viel los ist, ich aber bis vor ein paar Wochen noch viel Zeit täglich hatte (Ferien - nun Zivi), habe ich mir Gedanken gemacht über geschichtliche Zusammenhänge, über die sich bestimmt jeder einmal Gedanken gemacht hat. Nun ist zur Zeit überhaupt nichts los - daher dies mal als Einwurf und Einladung zur Diskussion.
Da das Ganze nicht unbedingt nur Geschichte ist, habe ich es erst einmal ins "Off-Topic-Forum" gesetzt.
Wenn ich mir das System „Menschheit“ und ihre Geschichte anschaue, dann empfinde ich immer wieder, wie zyklisch diese ist. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich fast alles irgendwie wiederholt, manchmal in schwächerer Form, oft in zugespitzter.
Wenn wir die Wirtschaft zuerst betrachten, so ist deren zyklisches Verhalten ja bereits bewiesen. Man spricht ja nicht umsonst von „Konjunkturzyklen“ und auch größere Rezessionen treten periodisch in ähnlichen Abständen auf. So gab es eine große Depression 1880 (in Frankreich auch „La Grande Depression“ genannt; in Deutschland waren die Einflüsse wohl nicht ganz so groß), fünfzig Jahre später haben wir die Weltwirtschaftskrise, die Deutschland sehr hart trifft. 1973-80 gab es mit zwei Ölkrisen auch relativ große Wirtschaftskrisen, die die amerikanische und europäische Wirtschaft empfindlich trafen. Natürlich gab es auch andere Krisen in anderen Regionen, aber auch da kamen die Krisen periodisch wieder.
Ein anderes Thema wären Löhne und Bevölkerungsgruppen. Zu Beginn des Hochmittelalters um 1000 n. Chr. gab es in Deutschland eine klassische Feudalherrschaft. Aber im 12. Jahrhundert drängten plötzlich reiche Bürger, zumeist Patrizier und andere Großkaufleute, an die Macht und zerstörten – zumindest in den Städten – das feudalherrliche Regierungssystem. Zu dieser Zeit begann sich auch eine breite Mittelschicht auszubilden, die im Laufe der Jahrhunderte wieder in zwei Klassen zerfiel. Im 15. Jahrhundert (also ca. zwei, drei Jahrhunderte später) wurde die Herrschaft der Patrizier – die immer mehr dem Adel ähnelten – plötzlich ebenfalls umgeworfen durch Zünfte und reiche Handwerker, die ihren Teil vom Kuchen abhaben wollten. In dem Zuge wurde auch wieder die Mittelschicht gestärkt und somit die Armut ein wenig gelindert. Gehen wir wieder ein paar Jahrhunderte weiter, haben wir plötzlich ähnliche Verhältnisse wie zu Beginn des Jahrtausends: Mächtige Könige, „Absolutismus“ und immer reicher werdende Bürger, die gerne ein wenig Mitbestimmungsrecht hätten. Die Mittelschicht verschwindet in dieser Zeit abermals ziemlich, bis es wieder eine breite Unterschicht gibt. In der französischen Revolution versuchen also wieder die reichen Bürger – nun nicht mehr Patrizier genannt sondern Bourgeoisie – an der Macht teilzuhaben und diesmal macht die Unterschicht auch wieder mit. Die Revolution ist aber von sehr viel größerer Tragweite und sehr viel radikaler als alles zuvor erlebte in den Städten. Dennoch finde ich, kann man Ähnlichkeiten feststellen. Im Unterschied zu den vorangegangenen Ereignissen findet hier aber kaum eine Näherung zwischen arm und reich statt, denn vierzig Jahre nach der Revolution geht es den armen noch immer „misérable“. Die nächsten Zyklen scheinen – auch durch Kriege, wie den Fortschritt bedingt – schneller zu werden, denn nur 100 Jahre nach der Revolution erreichen die Arbeiterbewegungen langsam Macht und Einfluss und schaffen vielleicht eineinhalb Jahrhunderte nach der franz. Revolution wieder einen langsamen Ausgleich zwischen arm und reich (der Zyklus hat sich also halbiert). Durch die Wirtschaftskrise von 23 und 29 in Deutschland kommt es aber wieder zu einer Zweiklassengesellschaft, in der nur wenige an der Spitze profitieren, wobei diese Ereignisse nicht wirklich zu den vorangegangenen passen, da hier zu viele Faktoren einen Einfluss haben. Dennoch: Auch heute scheint – wenn man den Analysen heute trauen darf – die Mittelschicht erneut abzubröckeln und eine Zweiklassengesellschaft entsteht, auch wenn die Mittel der ärmeren Bevölkerungsschichten zur Sicherung der eigenen Ansprüche mächtiger erscheinen als vor 1000 Jahren. Dennoch denke ich, dass es spätestens nach der nächsten größeren Wirtschaftskrise (die dann wohl so gegen 1930, eher aber 1915-20 kommen würde) wieder eine Art „Umwälzung“ der Verhältnisse zu Gunsten einer neuen Mittelschicht geben wird.
Und in der Politik gibt es auch noch viele andere Entwicklungen, die sich so oder ähnlich immer wieder wiederholen. In den 20ern und 30ern des 20. Jahrhunderts gab es ja eine größere Radikalisierung in der Politik, die ja wohl jedem in Erinnerung geblieben ist. Aber auch jetzt, 70 Jahre nach der ersten politischen Radikalisierung scheint es wieder eine schleichende Radikalisierung in einigen Bereichen zu geben. Sowohl links als auch rechts nimmt die Zahl der radikalen Wähler stetig zu – nicht nur in Deutschland, sondern in Europa (wie auch schon damals in Europa radikale Stimmen zu hören waren). Ich will damit nicht sagen, dass wir wieder auf eine Katastrophe zuschliddern, obwohl ich das Problem als nicht von der Hand zu weisen halte, ich will lediglich deutlich machen, dass sich hier einige kleine Partikel der Geschichte zu wiederholen scheinen. Ganz verwunderlich ist das Ganze natürlich nicht, da Radikalisierung meist mit großen Vermögensscheren und großer Armut einhergeht, wie sie in beiden Perioden zu finden zu sein scheint.
Auch in anderen Bereichen lassen sich solche Beispiele finden, diese nur als Auswahl anzusehen.
Im Grunde sehe ich also nur drei wirkliche Entwicklungen: 1. Die Demokratie setzt sich gegenüber anderen Staatsformen durch, 2. Der technische Fortschritt ist nicht von der Hand zu weisen und 3. Die dadurch hervorgerufene Globalisierung ist ebenfalls deutlich erkennbar und nichtzyklisch.
Jetzt frage ich mich, ob ihr ähnliche Beobachtungen macht oder gemacht habt, oder ob ihr meint, meine Gedanken sind zu einseitig, bzw. zu sehr im Detail, als dass sie wirklich für größere Teile der Menschheitsgeschichte zutreffen. Kann man noch andere gravierende Beispiele finden? Wenn ich mit meinen Ansichten wiedererwarten auf ziemliche gute Zustimmung stoße, frage ich mich auch, ob es eine Möglichkeit gibt, aus diesen Zyklen auszubrechen und für dauerhafte Veränderungen zu sorgen? Und schließlich frage ich mich, ob diese zyklische Art der Geschichte nicht auch den Vorteil birgt, dass es immer schlechtere und bessere Zeiten gibt und so 1. die schwächeren in der Gesellschaft ausgesondert werden (ich meine damit nicht „sterben“, sondern zum Beispiel schwächere Wirtschaftszweige oder schwache gesellschaftliche Experimente) und es 2. dem Menschen in besseren Zeiten, die nur periodisch vorkommen, dann besser geht, als wenn es immer „bessere Zeiten“ gibt (wenn immer alles gut ist, dann wird das Gute zur Gewohnheit).
Nun ja, die erste Frage ist ja wohl noch geschichtlich, die Zweite zielt auf den Lernprozess aus der Geschichte ab und die dritte ist ja eher komplett philosophisch. Dennoch würde mich eure Meinung interessieren.
Ich habe natürlich auch meine eigenen Gedanken als Antworten zu meinen Fragen - aber das würde den Post wohl sprengen 
Gruß
MI
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