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MILCHSEEN,FLEISCH- UND BUTTERBERGE
 
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miss_y



Anmeldungsdatum: 13.02.2007
Beiträge: 8

BeitragVerfasst am: 24. Apr 2007 18:40    Titel: MILCHSEEN,FLEISCH- UND BUTTERBERGE Antworten mit Zitat

kann mir vllt jemand erklären, was das bedeutet

MILCHSEEN,FLEISCH- UND BUTTERBERGE muss irgendwas mit agrarwirtschaft zu tun haben...
Faelivrin



Anmeldungsdatum: 23.01.2007
Beiträge: 81
Wohnort: Potsdam

BeitragVerfasst am: 24. Apr 2007 20:01    Titel: Antworten mit Zitat

Keine Ahnung was das mit Geschichte zu tun hat, aber schau mal Google 1. Ergebnis sollte dir eine Antwort geben.
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Ehrenmoderator


Anmeldungsdatum: 08.09.2004
Beiträge: 701

BeitragVerfasst am: 24. Apr 2007 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

Ohne groß nachzuforschen: Das müssten Begriffe aus der Ökonomie sein.

Zu den Butterbergen habe ich was gefunden:
http://zeus.zeit.de/text/archiv/1958/11/Zt19580313_013_0049_wt

Es muss 1958 wohl eine Marktkrise gegeben haben, wo die Butter hier recht teuer war und die Anbieter auf diesen sitzen geblieben ist.
darryl



Anmeldungsdatum: 16.01.2005
Beiträge: 4
Wohnort: irgendwo in Germany

BeitragVerfasst am: 04. Mai 2007 19:56    Titel: Antworten mit Zitat

ich hab auf der seite: www.anstiftung.de/zukunftsfaehige_Lamdwirtschaft_2.pdf
folgendes gefunden: (in rot der Satz)
eine Aufgabe nicht nur für Bauern
erschienen in: Wohlan, Margarethe (Hg.): Zukunft der Wirtschaft: Landwirtschaft und Ernährung, S. 36-42, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002
von Christa Müller
„Jede Kuh, die heute noch gemächlich fressend auf der Wiese steht, ist höchst überflüssig - gemessen an den Hochleistungsprodukten Milch und Rindfleisch, die die Agrarfabriken der ganzen Welt auf den ohnehin schon verstopften Markt werfen.“ Diese lakonische Bemerkung druckte die Woche in ihrer Ausgabe vom 18.7.1997. Vier Jahre später zeigen die Massenexekutionen und Fanale auf den landwirtschaftlichen Betrieben Europas als Reaktion auf Maul- und Klauenseuche und BSE, dass die Landwirtschaft in der Tat zu einem Wirtschaftszweig verkommen ist, in dem ausschließlich Kapital erzeugt wird - anstatt es als ihre vordringliche Aufgabe anzusehen, die Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen. Die radikale Außenhandelsorientierung der europäischen Agrarpolitik hat nicht nur Auswirkungen auf die Qualität der Lebensmittel, sondern auch auf die ökologischen Folgen der Produktion, auf die Selbstwahrnehmung der Bauern, auf die Kulturlandschaften, auf das gesellschaftliche Naturverhältnis und auch auf den beständig wachsenden Verkehr, um nur einige Aspekte zu nennen. Schaut man sich die ökonomischen Daten der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland an, stellt sich in der Tat die Frage, wozu überhaupt noch Getreide anbauen und Vieh züchten?
Agrarland Deutschland? Ein Blick zurück.
Die Bundesrepublik Deutschland importierte im Jahr 2000 mehr landwirtschaftliche Produkte als sie selbst anbaute. Obwohl der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln bei 97 Prozent (ohne importierte Futtermittel bei 90 Prozent) liegt, ist Deutschland Weltmeister im Importieren von Nahrungsmitteln. Deutsche Einfuhren ernährungswirtschaftlicher Güter im Wert von 77,6 Milliarden Mark machen knapp zehn Prozent der weltweit gehandelten Agrargüter aus. In der Rangliste der Agrarexporteure steht Deutschland nach den USA, Frankreich und den Niederlanden mit einem Volumen von 47,3 Milliarden Mark auf Platz vier. Stellt man Agrareinfuhren und -ausfuhren gegenüber, ist Deutschland nach Japan der zweitgrößte agrarische Nettoimporteur. 64 Prozent der Importe stammen dabei aus EU-Staaten, 23 Prozent aus Entwicklungsländern. 71 Prozent der deutschen Agrarexporte wiederum gehen in die EU-Staaten und 9 Prozent in Entwicklungsländer (Deutscher Bauernverband 2000:47). Während die wichtigsten Agrarexportprodukte Deutschlands Veredlungserzeugnisse sind, belegt der deutsche Konsum von landwirtschaftlichen Produkten eine Fläche in anderen Ländern, die etwa 30 Prozent der inländischen Landwirtschaftsfläche beträgt. Gleichzeitig werden die hierzulande verbrauchten landwirtschaftlichen Erzeugnisse nur noch zu etwas mehr als einem Drittel auf inländischen Ackerflächen angebaut (BUND/Misereor 1996:118).
Die größten Agrarhändler der Welt (Mrd. DM, 1997)
Ausfuhr
Wert
Einfuhr
Wert
1. Platz 2. Platz 3. Platz 4. Platz 5. Platz 6. Platz 7. Platz
USA Frankreich Niederlande Deutschland Belgien/Lux. Großbritannien Australien
108,4 66,8 55,7 47,3 31,2 30,2 29,3
DeutschlandUSA Japan Großbritan. Frankreich Italien Niederlande
77,671,366,347,044,941,831,1
2
8. Platz 9. Platz 10. Platz
Brasilien Italien Kanada
28,5 27,2 26,4
Belgien/Lux.China Russland
28,627,821,5
Quelle: Deutscher Bauernverband 2001 online
Diese Entwicklung hin zum Agrarexport- und -importland ist nicht „naturwüchsig“ entstanden, sondern wurde gezielt gefördert. Die Modernisierung der Betriebe und die Rationalisierung der Agrarproduktion waren erklärtes Ziel der Nachkriegsagrarpolitik der Bundesrepublik als Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In diesem Kontext wurde der Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft bereits während der fünfziger Jahre durch gezielte Interventionen vorangetrieben. Die Reduzierung der Fruchtfolgen, die Abtrennung der Viehhaltung vom Ackerbau und die Massentierhaltung auf der Basis von Futtermittelimporten aus der Dritten Welt ermöglichten die Trennung der Produktion von den regionalen Produktionsgrundlagen, die Konzentration auf den Weltmarkt und damit auch die Vernachlässigung landschaftspflegerischer und anderer ökologischer und kultureller Funktionen der Landwirtschaft (Ganzert 1994:3ff).
Die Folgen der rationalisierten Agrarproduktion auf europäischer Ebene sind bekannt: Zum einen entstanden die berühmten Milchseen, Fleisch- und Butterberge, die es zu Lasten regionaler Märkte in Übersee zu Dumpingpreisen zu exportieren oder anderweitig zu entsorgen galt. Schnell geriet auch die Vernichtung chemisch behandelten Obstes und Gemüses in die Schlagzeilen. Die Überschussproduktion kostet die EU jährlich 80 Milliarden Mark. Folgekosten sind auch im Verkehr zu verzeichnen. 250 Millionen Tiere werden jährlich in der EU hin und her gekarrt. Der beständig anwachsende LKW-Verkehr wird bis 2010, so die Prognosen, noch um weitere 40 Prozent zunehmen.
Zum andern führte die europäische Agrar- und Wirtschaftspolitik zu einem gewaltigen Bauernsterben. Existierten 1949 noch 2,265 Millionen landwirtschaftliche Betriebe mit einer durchschnittlichen Größe von 8,5 Hektar Land, waren es 1999 gerade mal noch 429.000 (davon 27.900 in den neuen Bundesländern). Die Betriebsgröße wuchs entsprechend auf durchschnittlich 39,4 Hektar (Deutscher Bauernverband 2001: DBV online).
Betriebe und ihre Flächenausstattung
Jahr
Betriebe in 1000
Durchschnittliche Größe in ha LF
1949
2.265,4
8,5
1991
617,3
27,6
1999
429,0
39,4
Quelle: Deutscher Bauernverband 2001 online
Es überleben immer weniger, immer größere und immer stärker industrialisierte Betriebe, die sowohl intraregional als auch weltweit miteinander in einem harten Verdrängungswettbewerb stehen (Bechmann 1987:27). Entgegen aller Lippenbekenntnisse der Politik zum „bäuerlichen Familienbetrieb“: Nur ein kontinuierlicher Rückgang der Zahl der bäuerlichen Betriebe galt bislang als Garant sowohl einer Verbesserung der chronisch schlechten Einkommenslage als auch der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft. Die verbleibenden, sogenannten existenzfähigen Betriebe sollen unter rationalisierten Bedingungen höhere Erträge liefern und über diesen Weg - nicht über höhere Erzeugerpreise - ihre Einkommenslage verbessern. Schon in den siebziger Jahren kommentierte man aus dem Landwirtschaftsministerium: „Jedes Prozent ausscheidende Betriebe bedeutet ein Prozent Einkommenserhöhung für die verbleibenden.“ (zit. in Graefe zu Baringdorf 1982:234) Höhere Erzeugerpreise waren politisch deshalb nie erwünscht, weil sie dem Interesse der Industrie nach erhöhten Nahrungsmittelimporten (im Austausch mit Maschinenexporten)
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widersprachen (ebd.:233f.). So realisierte sich das Motto „wachsen oder weichen“, auch Strukturbereinigung genannt, mit zunehmender Integration in den europäischen Markt. Innerhalb der europäischen Vision einer rationalisierten, industrialisierten und kapitalintensiven Landwirtschaft zum Ausbau der eigenen ökonomischen Position auf dem Weltmarkt erscheinen geschlossene regionale Wirtschaftskreisläufe als rückständig und ungeeignet, dem „Wettkampf der Regionen“ standzuhalten. Lokale und regionale Märkte als wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Umgestaltung der Landwirtschaft wurden durch massive Intervention staatlicher Institutionen an ihrer Entfaltung gehindert, um zentral operierenden Vermarktern industriell hergestellter Massenware die Wege zu ebnen und um die schrittweise Öffnung der Binnenmärkte zu erzwingen. Als wichtiges Instrument dienten dabei neben der monetären Förderpolitik unzählige Hygieneverordnungen.
„Vom Ertrag meiner Arbeit leben“ - Einkommen als Orientierungshilfe
Parallel dazu orientierte sich die Beratungspolitik der Landwirtschaftskammern an einer wichtigen im Bundeslandwirtschaftsgesetz festgeschriebenen Zielgröße: der Teilhabe der Landwirte an der allgemeinen Einkommensentwicklung. Während die Nachkriegseinkommen immer mehr stiegen, fielen die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in vergleichbarer Kontinuität. Als Allheilmittel gegen diese strukturell angelegte Diskrepanz riet und rät man den Bauern zur Aufstockung ihrer Bestände, um den Anschluss an die Einkommensentwicklung nicht ganz zu verpassen. Einziges Kriterium für die Beurteilung einer erfolgreichen ökonomischen Strategie ist dabei der Gewinn in Anlehnung an einen außerlandwirtschaftlichen Vergleichslohn. Der wiederum lag im Jahr 2000 noch immer um 39 Prozent höher als die Einkommen in der Landwirtschaft (Deutscher Bauernverband 2000:238). Abgesehen davon, dass also nicht einmal das Ziel der Einkommensangleichung erreicht wurde, wird mit ihm das, was eine angemessene bäuerliche Identität ausmachen könnte, von den Vorgaben eines durchschnittlichen Lohnarbeiterdaseins abgeleitet. In der Folge haben sich viele Bauern selbst nur noch als einkommensbenachteiligte, verhinderte Lohnarbeiter gesehen. Sie bevorzugen das sozialdemokratische Versorgungsmodell - so irritierend dies in Bezug auf Bauern klingen mag: Die Verantwortung für das eigene Leben wird an Markt und Staat delegiert. Nicht mehr der bäuerliche Lebenszusammenhang, sondern der des abhängig Beschäftigten prägt hier das gängige Leitbild vom „guten Leben“.
Auf der anderen Seite existiert jedoch nach wie vor eine erstaunliche Vielfalt an bäuerlichen Lebensentwürfen, die die Gesellschaft mit essenziellen Fragen nach Herkunft und Entstehungsprozessen des zum Leben Notwendigen konfrontiert. Die Industrialisierung der Landwirtschaft konnte im Vergleich zu anderen Segmenten der Ökonomie nie zur Gänze realisiert werden. So versucht eine wachsende Zahl von Bauern und Bäuerinnen einen Ausweg aus der fatalen Wachstumsspirale zu finden, indem sie auf lokale und regionale Kooperation setzen. Sie unterscheiden sich, wenn man ein binäres Schema anlegen will, von den Wachstumsbefürwortern, die Wert auf Geldeinkommen, Freizeitgestaltung, geregelte Arbeitszeiten und andere Attribute eines ehemals als urban gedachten Lebensstils legen (Müller 1998). Die Wachstumsskeptiker wollen weiterhin eigenständig über Inhalte und zeitliche Einteilung ihrer Arbeit bestimmen. Sie sind im Gegensatz zu den Wachstumsbefürwortern, für die die Landwirtschaft eine Option neben der Erwerbsarbeit ist, nicht bereit, ihren Hof aufzugeben und Vorgesetzte oder monetäre Sachzwänge zu akzeptieren. Das bedeutet, dass sie sich nicht radikal verschulden, um in Modernisierungsschritte zu investieren. Trotzdem erwirtschaften sie Geld - allerdings nicht in erster Linie, um am Konsum von Autos, Unterhaltungselektronik o.ä. zu partizipieren, sondern um den Hof als Lebens- und Arbeitszusammenhang erhalten zu können.
Ebenso wie sich jedoch in vielen bäuerlichen Biographien Fortschrittsoptimismus mit Modernisierungsskeptizismus paart, bestehen die unterschiedlichen ökonomischen
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Überlebensstrategien nicht aus einer reinen Subsistenz- oder Warenorientierung1, sondern aus einer Kombination beider (Baier 2001). Bei den tendenziell subsistenzorientierten ökonomischen Strategien handelt es sich keineswegs um den Versuch, historisch vergangene Verhältnisse wiederzubeleben. Weder ist Subsistenzorientierung als rückschrittlich noch einfach nur als eine ökonomische Anpassungsstrategie an die Moderne zu bewerten (Werlhof/Mies/Bennholdt-Thomsen 1983; Schlee/Werner 1996). Sie kann sich jedoch durchaus als innovative Strategie erweisen. Der westfälische Bauer Josef Jacobi, der lange Jahre Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) gewesen ist, skizziert die Komplexität bäuerlicher Wirtschaft:
„... Bäuerliches Denken (sucht) seit Jahrhunderten nicht kurzfristig den schnellen Gewinn ..., sondern (ist) ein Denken ..., das über Generationen hin angelegt ist. Wer früher den Hof geerbt hat, der konnte davon leben. Das war die Grundlage, und es kam überhaupt nicht in Frage, dass da was verkauft wurde. Jede Generation hat daran gearbeitet, dass der Hof besser wurde. Der Vater hat eine Eiche gepflanzt, der Sohn hat sie gehegt und gepflegt, und der Enkel hat davon einen Stall gebaut. Zwei Generationen haben Arbeit reingesteckt und die dritte hatte erst den Nutzen, wobei sich der Stallbau selbst auch noch über mehrere Generationen hinziehen konnte. Wenn heute ein Stall geplant wird, dann muss er in fünf Jahren abgeschrieben sein. Bei der Fruchtfolge ist es genauso. Es werden nur noch die Früchte angebaut, die möglichst schnell möglichst viel Gewinn bringen: Zuckerrüben, Raps, Weizen, Gerste. Rausgefallen sind Roggen, Kleegras, Hafer, Luzerne. Das sind aber alles Gesundungsfrüchte. Früher gab es eine breite Fruchtfolge, dadurch konnte man den Krankheitsstand niedrig halten, weil man die Wirtspflanze für bestimmte Krankheiten nur ganz selten anbaute. Mit dem intensiven Anbau ist das Nachhaltige, das Bäuerliche, ausgerottet worden, und das hat dazu geführt, dass die Tiere ausgebeutet werden und dass die Natur vor den Bauern geschützt werden muss, obwohl doch die Bauern die Landschaft intakt gehalten haben und die Artenvielfalt der Kulturlandschaft geschaffen und erhalten haben. ... Ich will vom Ertrag meiner Arbeit leben und alle, die hier auf dem Hof leben und arbeiten, sollen das auch. ... Das geht immer so gerade rum bei uns, wir haben am Ende des Jahres nie was über, aber das brauchen wir auch nicht, wir leben ja. Und das ist für mich das Erstrebenswerte. Ich brauche aufgrund meines Berufes nicht nach Teneriffa oder Afrika zu fliegen. Ich habe einen der schönsten und abwechslungsreichsten Berufe. Ich lebe in der Natur und mit der Natur. Und ich habe immer neue Anforderungen, und das macht richtig Spaß. Deshalb kämpfe ich auch dafür, dass man Bauer bleiben kann.“ (zit. in Müller 1998: 164; 166)
Ein Prozent der Bruttowertschöpfung - Zur Bedeutung der Landwirtschaft
Jacobi skizziert hier die Konturen einer bäuerlichen Wirtschaftsweise, dessen soziale Organisationsformen heute anders sein können – und z.T. müssen – als zu Zeiten der funktionierenden lokalen Ökonomien. Viele agrarkulturelle und ökologische Innovationen entstammen neuen sozialen Organisationsformen, die nicht zuletzt für Frauen eine Alternative zur kleinfamiliären Hoforganisation darstellen. Deshalb, und wegen dem ihr immanenten ökologischen Potenzial, ist die bäuerliche Wirtschaft ein zentraler Bestandteil zukunftsfähiger
1 Subsistenzproduktion ist sowohl Produktion für den Eigenbedarf als auch für den gebrauchswertorientierten Tausch (Hausarbeit, kleinbäuerliche Produktion, Arbeiten im informellen Sektor). Diese Form der Produktion folgt einer grundlegend anderen Logik als die Warenproduktion: Sie ist an der Herstellung und Erhaltung des Lebens orientiert. Hierin liegt ihre ökologische und sozial-kulturelle Qualität. Sie - und nicht die Warenproduktion - ist die eigentliche Grundlage der Wertschöpfung, geht aber nicht in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein („der blinde Fleck der Ökonomie“).
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Konzepte. Denn wer vom nur einprozentigen Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung auf ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung(slosigkeit) schließt, berücksichtigt nicht, dass die Landwirtschaft „...zu 100 Prozent Voraussetzung einer jeden Wertschöpfung in unserer Gesellschaft (ist): Mögen wir uns noch so sehr als postindustrielle Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft definieren – leben tun wir immer noch von der Landwirtschaft und ihren Produkten: den Lebensmitteln.“ (Schneider u.a. 1995:3)
Der Boden ist eben kein reiner Produktionsfaktor, sondern Lebensgrundlage. Worunter die Bauern besonders leiden, ist die Tatsache, dass durch den gesellschaftlichen Umgang mit Phänomenen wie BSE oder MKS genau dieser Zusammenhang aus dem Bewusstsein verschwindet, und dass die landwirtschaftlichen Güter, die sie erzeugen, damit massiv entwertet werden. Sie müssen hilflos zuschauen, wie sich eine desaströse ökonomische Praxis (Vernichtung von Leben als „Marktbereinigungsmaßnahme“) auch den scheinbar idyllischen Hinterwelten der Europäischen Union bemächtigt und sie in „Killing Fields“ verwandelt. Die kulturelle Botschaft eines solchen Krisenmanagements lautet: Leben hat keinen Wert und wird der Profitlogik ebenso unterworfen wie beliebige Formen der Warenproduktion. Gerade aber Bauern sind darauf angewiesen, vermitteln zu können, dass es in der Landwirtschaft um mehr geht. Viele Landwirte beklagen, dass die von ihnen hergestellten Güter nicht zuletzt als Folge der jahrzehntelangen Niedrigpreisorientierung von Politik und Konsum zu Dumpingprodukten verkommen. Bäuerliche Tätigkeit ist jedoch im Gegensatz zur agrarindustriellen nach wie vor hochgradig sinnstiftend – und zugleich sinnbenötigend. Neben der Bereitstellung einer der wichtigsten Voraussetzungen für menschliches Leben birgt eine nachhaltige Landwirtschaft einerseits ökologische Potenziale wie den Erhalt der Artenvielfalt, die Verringerung von Transporten, die Sauerstoffproduktion oder die Offenhaltung der Landschaft. Andererseits enthält sie auch entscheidende sozial-kulturelle Impulse. Landwirtschaft könnte eine große Rolle spielen in der Frage regionaler Identitätsstiftung sowie in der Gestaltung eines zukunftsfähigen Naturverhältnisses. Landwirtschaft stellt Bezüge her zwischen Vergangenheit und Zukunft und bietet sinnliche Wahrnehmungsmöglichkeiten von Zeit und Raum.
Eine weitere Dimension, die in jüngerer Zeit diskutiert wird, ist die des gemeinnützigen Charakters der Landwirtschaft. Dabei wird zunehmend davon ausgegangen, dass die Pflege der menschlichen Überlebensgrundlage eine im Kern gemeinnützige Tätigkeit ist, die nicht nur als ökonomische, sondern auch als soziale Leistung anerkannt gehört (Janitzki 1998, Roeckl 2000). Mittlerweile ist es auf vielen ökologisch bewirtschafteten Höfen Praxis, dass sich die Hofzusammenhänge einer akteursorientierten Forschung öffnen, die Höfe als Erlebnisfelder und für Kulturinitiativen zur Verfügung stehen und auf ihnen neue Lebens- und Arbeitsverhältnisse erprobt werden. Im Gegenzug dazu organisiert z.B. die GLS-Bank Landwirtschaftsfonds, die Höfen eine Investition in zukunftsfähige Produktions- und Vermarktungsformen ermöglichen, indem diese die Kredite statt mit monetären Zinsen mit Produkten ihres Hofes bedienen können. Damit wird die notwendig geringe Gesamtkapitalrentabilität einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion durch ein alternatives Finanzierungs- und Konsummodell aufgefangen. In Unterstützerkreisen können Städter sich in Höfe „einkaufen“ oder Patenschaften für bestimmte Tiere übernehmen, von denen sie dann direkt Milch, Käse oder Eier beziehen.
Regionale Bündnisse - Die kulturelle Wende in der Agrarwende
Perspektiven zeigen auch neue Bündnisse zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern auf. Heute sind auch die vermeintlich hinterletzten Regionen globalisiert, es gibt keine Höfe mehr, in denen, wenn schon nicht die Futtermittel, so doch andere Voraussetzungen der Produktion vom Weltmarkt bezogen werden. Trotzdem, oder gerade deshalb, setzen viele Bauern auf eine Re-Etablierung lokaler und regionaler Zusammenhänge. Die offensive Orientierung am Alten steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Praktizierung neuer Lebens-, Arbeits- und
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Kooperationsformen, die die bäuerliche Produktionsweise bewahren soll und auch die ländlichen Gebiete von ihrem Schlafstättenimage befreien könnte. So erweisen sich die „traditionellsten“ Bauern häufig als die innovativsten, denn sie emanzipieren sich von „modernen“ Monokulturen, indem sie Handlungsmuster der alten dörflichen Ökonomien mit neuen sozialen Lebenszusammenhängen und eigenorganisierten Kontakten zu urbanen Netzwerken und Konsumentenzusammenschlüssen kombinieren (Müller 1998). Regionalisierungsbewegungen unterstützen das Bemühen um ein sozial und ökologisch angemessenes Überleben. Überall entfalten sich neue Formen von Regionalität und Lokalität (Baier/Bennholdt-Thomsen/Holzer 2000). Die auf internationalem Parkett geführten Auseinandersetzungen über die Grenzen des Wachstums werden längst auch in den Dörfern geführt: Hier treffen die „local players“ aufeinander. Ohne deren aktive Partizipation können regionale Initiativen auf Dauer nicht erfolgreich sein. Die Region als einen Raum alternativer Politik- und Wirtschaftsentwürfe zu begreifen setzt eine neue Bewertungskultur voraus. Und die wiederum kann nur aus einer anderen sozialen Praxis heraus entstehen, benötigt also eine Materialisierung in den sozialen Prozessen selbst. Nur eine agrarkulturelle Vielfalt erhält den biologischen Reichtum, aber auch die soziale Unterschiedlichkeit – und nicht zuletzt eine Vielschichtigkeit an Erfahrungen. Bäuerliche Landwirtschaft wird gerade angesichts der zunehmend künstlichen Lebenswelten unverzichtbar in ihrer Funktion als Erfahrungsfeld, in dem ein unmittelbarer Zugang zur Natur und zur Rolle der Natur bei der Lebensmittelherstellung ermöglicht wird. Nur so ist überhaupt ein Verständnis für die Naturabhängigkeit menschlicher Existenz und menschlicher Produktionsformen vermittel- und vorstellbar.
Die Aufgabe, regionale Ressourcen in einer nachhaltigen Form zu nutzen, ist längst nicht mehr nur Aufgabe der Landwirtschaft, sondern eine gesamtgesellschaftliche, an der die Politik ebenso partizipieren sollte wie Bürgerinitiativen, Universitäten, Landvolkshochschulen, Stiftungen, Kreditinstitute oder Verbraucherorganisationen – um nur einige zu nennen.
Ökologische und wirtschaftliche Innovationsprozesse benötigen das Engagement regionaler Akteure auf unterschiedlichsten Ebenen. Räumliche Nähe als Erfahrungsgrundlage gilt als wichtige Voraussetzung für die Übernahme von sozialer und ökologischer Verantwortung, weil die Folgen des Tuns (oder Nicht-Tuns) auf einer kleinräumigen Ebene unmittelbarer erfahrbar sind. Wenn z.B. den Allgäuern an ihrer Kulturlandschaft gelegen ist, sollten sie nicht nur regionale Milchprodukte kaufen, sondern auch die Milchpreise und das Verbraucherverhalten öffentlich thematisieren. Was von den Erzeugern als Defizit empfunden wird, so ein Ergebnis von Expertengesprächen mit Allgäuer Erzeugern (Müller 2000), ist weniger eine professionelle Organisation der Regionalvermarktung als vielmehr eine tiefgehende gesellschaftliche Diskussion über die Herstellungsbedingungen von Lebensmitteln sowie über Zukunft und Wert der bäuerlichen Landwirtschaft.
Die Agrarkrise ist Ausdruck einer tiefen gesellschaftlichen Krise. Wir brauchen nicht nur eine Agrarwende, sondern auch eine kulturelle Wende. Das setzt nicht zuletzt eine Wende in der ökonomischen Orientierung voraus. Wie genau eine andere ökonomische Orientierung bzw. die Vorstellung vom „guten Leben“ verwirklicht werden könnte, wäre Resultat eines beständig neu zu inszenierenden gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses entlang der Vorgabe einer bewussten Vernachlässigung des Prinzips der reinen Profitmaximierung. Eine solche Umorientierung würde nicht Verzicht provozieren, sondern vielmehr eine Befreiung hin zur selbstbestimmten Gestaltung überschaubarer Lebenszusammenhänge, in die die Wirtschaft integriert ist. Nicht mehr und nicht weniger.
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