guzi
Gast
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 Verfasst am: 13. Apr 2006 17:24 Titel: Franz. Revolution - Wirkungen |
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Hallo!
Mich interessieren vor allem die Wirkungen der französischen Revolution, insbesondere was die Massenideologien (Liberalismus, Marxismus, Nationalismus etc) angeht. Ich habe nun schon ziemlich viel gelesen, aber diese Wirkungen finde ich irgendwie nicht richtig.
Auch sind die Folgen meist so positiv beschrieben und ich habe das Gefühl, dass mein Lehrer eher die negativen hervorhebt.
Ich zähle mal auf, was ich habe:
1 Ende feudaler Abhängigkeiten
2 Sieg der Menschenrechte
3 persönliche Freiheit des Einzelnen
4 Fortschritte bei den Rechten der Frauen
5 freie Meinungsäußerung
6 Volksheere (von Ideologien geleitet)
7 liberale Wirtschaft
8 Humanisierung des Strafrechts
9 Entwicklung der Nationalbewegungen
Bei 5, 6 und 9 kann ich negative Dinge erkennen. Bei 5 die Presse als "Machtfaktor", bei 6 die unkontrollierbaren Massen, was ja auch auf 9 zutrifft.
Aber der Rest ist alles so positiv. was davon ist denn wirklich nach der franz. Rev. geblieben?
So das reicht erstmal als Fragen! Hoffe auf Antworten! |
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Talh
Moderator
Anmeldungsdatum: 07.11.2004
Beiträge: 251
Wohnort: Frankfurt a.M.
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| Verfasst am: 14. Apr 2006 00:53 Titel: |
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Ich schätze mal, dass eine Antwort subjektiv ausfallen würde. Von welchem Land reden wir denn - nur von Frankreich oder von allen Ländern, die sich mehr oder weniger von der Französischen Revolution haben beeinflussen lassen? Und von welchem Zeitraum - von der Napoleonischen Ära oder von der Gegenwart?
Was Deutschland anno 2006 angeht, sind mE alle aufgezählten Punkte noch irgendwo vorhanden:
- unser Adel wurde 1918 entmachtet und seine Ländereien gingen größtenteils in den Besitz der Weimarer Republik, was den ostdeutschen Adligen übrig blieb, wurde von der DDR enteignet und auch von der BRD nicht mehr zurückgegeben;
- unsere Verfassung sichert die Menschenrechte;
- ebenso unsere persönlichen Freiheiten;
- in Deutschland sind Frauen den Männern gleichgestellt und (offiziell) gleichberechtigt;
- wir haben Pressefreiheit und die Zensur ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr gering;
- wir haben die Wehrpflicht;
- unsere Wirtschaft ist nicht so liberal wie in den USA oder anderen Ländern, aber schon irgendwo kapitalistisch, die liberalen Grundzüge sind da;
- wir haben ein relativ humanes Strafrecht (gute Unterbringung von Gefangenen, Resozialisierung, keine Folter, Todesstrafe oder körperliche Strafen (z.B. Handabhacken, wie in manchen Ländern üblich)) ;
- wir haben einen wiedervereinigten, souveränen Nationalstaat, den wir ohne das Engagement vieler Deutscher nie gehabt hätten. Vielleicht gibt es heute keine starke Nationalbewegung mehr (mit Patriotismus tun sich die Deutschen ohnehin schwer, außer beim Fußball  ), aber es gibt genug Leute, denen das Schicksal speziell ihres Landes nicht völlig egal ist.
In anderen europäischen Ländern sieht es sehr ähnlich aus. In vielen gibt es noch Monarchien, aber der Absolutismus ist abgeschafft, und auch die Leibeigenschaft gibt es in Europa nicht mehr.
Was das "Negative" angeht, da fällt mir (außer zu den Menschenrechten) zu jedem Punkt was ein. Es hat eben alles nicht nur eine sonnige Seite, sondern wirft auch Schatten.
- Zum Beispiel die liberale Wirtschaft: Das kann zum übersteigerten Kapitalismus führen, der im schlimmsten Falle einfach zusammenbricht wie z.B. beim Börsencrash 1929 und auf einen Schlag Millionen Menschen arbeitslos macht. Aber man braucht nicht mal nen Börsencrash. Heute werden doch fast jeden Tag mehrere Hundert Angestellte von irgendeinem großen Konzern einfach "wegrationalisiert", um sich "den Bedingungen des Marktes anzupassen"
- Die Rechte der Frauen: Viele Frauen wollen Karriere machen und keine Familien mehr gründen - Folge: wir haben in Deutschland fast keine Kinder mehr, der Generationenvertrag tritt damit fast völlig außer Kraft und hat schwerwiegende Folgen => meine Generation darf gucken, wo sie ihre Rente herkriegt. (Das ist nicht frauenfeindlich, sondern die Realität. Um die zu beruhigen, die mir eventuell dennoch böse Absichten unterstellen wollen, möchte ich anmerken, dass ich selbst eine Frau bin.)
- Humanisierung des Strafrechts: Wir können besonders brutale Verbrecher, Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder etc. nicht so behandeln, wie sie es vielleicht "verdient" hätten (wobei ich persönlich denke, dass ohnehin kein Mensch, auch kein noch so schlimmer Verbrecher, eine körperliche Strafe "verdient" hat - aber das steht ja hier ohnehin nicht zur Debatte und braucht es auch nicht )
- Oder die Meinungsfreiheit: Wir können z.B. rechts- wie linksextremen Parteien nicht so einfach den Mund verbieten. Oder (wegen der persönlichen Rechte) ihnen verbieten, sich zu Parteitreffen und Demos friedlich zu versammeln.
Summa summarum halte ich die Veränderungen, die die Französische Revolution bewirkt hat, aber dennoch für positiv.
Aber Stopp!
Eigentlich dürfen wir hier gar nicht von der Revolution reden. Die war ja nicht einfach so da. Reden wir also von der Aufklärung; ich denke, DIE ist an allem Schuld, nicht die Französische Revolution; sie war die Lawine, aber die Aufklärung war der Stein, der sie ins Rollen brachte. 1789 ist nur ein Datum, aber man vergisst viel zu schnell die ganze Epoche drumrum. Die Französische Revolution hätte niemals in anderen Ländern eine Veränderung auslösen können, wenn nicht zuerst aufklärerische Gedanken das morsche System des Absolutismus dort "infiltriert" hätten. Deshalb war die Reaktion in den anderen europäischen Ländern auch unterschiedlich stark.
Ich kann mich innerhalb des Raumes, der von meinen Rechten, Freiheiten und auch Pflichten großzügig abgesteckt ist, heute freier bewegen und entfalten, als ich es gekonnt hätte, wenn ich im 18. Jhd. in meinen jetzigen gesellschaftlichen Stand (das Kleinbürgertum) hineingeboren wäre. Als Frau, wohlgemerkt. Es gibt eine wesentlich größere soziale Mobilität als früher, das heißt, die sozialen Unterschiede sind nicht mehr unüberwindbar. Es gibt ein wenig mehr Gerechtigkeit, mehr Möglichkeiten und Chancen. Mehr Freiheiten gehen einher mit mehr Pflichten, aber das betrachte ich als fairen Handel. Es mag Menschen geben, die gerne willenlose Untertanen sind; ich jedenfalls nicht. Ich will den Mut haben, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen. Das fordert die Aufklärung, und das war Auslöser und Folge der Französischen Revolution und aller Folgerevolutionen in Europa. Von 1789 bis zu den jüngsten Studentenunruhen in Frankreich. (Die man nicht als "Revolution" bezeichnen kann, aber es ist ganz im aufklärerischen Sinne die Mündigwerdung derer, die für ihre Rechte auf die Straße gehen.)
So. Tut mir leid, dass ich etwas pathetisch geworden bin, aber bei dem Thema kann ich nicht anders 
Also, ich halte das für eine positive Entwicklung. Du nicht? Was hast du daran auszusetzen? |
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