 Verfasst am: 03. Nov 2023 03:24 Titel: |
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| Verfasst am: 06. Jun 2006 18:01 Titel: |
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Ich wär mit einem Vergleich trotzdem etwas vorsichtig. Ein heutiges (Haupt?) Problem besteht darin, Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund in unseren bestehenden Staat zu integrieren. Das Staatswesen des Mittelalters lässt sich schwer mit dem heutigen Staat vergleichen. Staatliche Institutionen, eine funktionierende Bureukratie, gab es damals noch nicht - höchstens in Ansätzen. Es gab keine zentrale Rechtssprechung, keine Verfassung, sondern stattdessen Gewohnheitsrecht, das von Fall von Fall bestimmt wurde. Unsere heutigen Probleme auf das Mittelalter zu projektieren halte ich für sehr anachronistisch. Wobei es da schon interessante Parallelen gibt. Ist ja nicht von ungefähr, dass jährlich der Karlspreis verliehen wird. |
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| Verfasst am: 06. Jun 2006 12:21 Titel: |
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| Eine sehr interessante These: "Ein Zusammenhang zwischen Völkerwanderung im Mittelalter und 'Völkerwanderung in der Neuzeit'." Ich will einmal mit ein paar generellen Betrachtungen anfangen: Soweit mein (oft unzureichendes) Wissen reicht, sind die Gründe der mittelalterlichen Völkerwanderung noch nicht vollends geklärt. Klar ist aber, dass der Hauptgrund höchstwahrscheinlich die Vertreibung durch die Hunnen war. Die "Vertriebenen" Völker (wahrscheinlich wäre im heutigen Maßstab noch mehr als ausreichend Platz zur Bleibe geblieben) vertrieben dann ihrerseits andere Völker von ihren Plätzen. So weit so gut - aber wie soll das in die Neuzeit übertragbar sein? Bei meinen Überlegungen viel mir quasi als erstes "Burgess' Model of innercity movements" ein. Dieses ist ein geographisches Modell zur Beschreibung des Städtewachstums am Beispiel von Chicago aus soziologischer Betrachtungsweise. Auch wenn das hier nicht speziell ein europäisches Beispiel ist - ich will es nachher auf Europa beziehen. Das Modell (entstanden vor dem 2. Wk) beschreibt, wie Chicago gewachsen ist. Burgess geht dabei von konzentrischen Kreisen um die Stadtmitte als verschiedene „Zonen“ aus. Nun beschreibt er die Bewegung der Einwohner in äußere Bereiche durch ein „Intruders-principle“, wie ich das jetzt einmal nenne. Im Kern geht es darum, dass neue Immigranten in den Kern „eindringen“ und sich dort niederlassen, während die Ansässigen dadurch „vertrieben“ werden und ihrerseits in äußeren Ringen andere vertreiben. – Wir erkennen also, dass durch die Invasion anderer, die Bevölkerung zum Wandern „angeregt“ wird. Diese innerstädtische Wanderung, die durch die Industrialisierung und die damit verbundene rapide Urbanisierung (--> wieder eine Wanderung) hervorgerufen wurde, wurde sogar noch verstärkt. Aber wodurch kam sie zustande? Der größte Faktor war sicherlich, dass die neuen „Eindringlinge“ wie eine Art fremder „Volksstamm“ auf die Anwohner wirkten, weil sie aus anderen sozialen Schichten kamen. Weitere Aspekte, die eine Innerstädtische Wanderung zur Folge haben, aber nicht unbedingt die hervorgebrachte These unterstützen, sind soziologische Theorien wie die „Broken-Window“-Theorie (kurz gesagt besagt sie, dass ein gebrochenes Fenster, welches nicht erneuert wird, theoretisch der Anstoß für eine Emigration der höheren Bevölkerungsschichten führen kann), dennoch halte ich diese Theorie für interessant, denn sie zeigt, wie trivial Wanderungsgründe sein können – und sind! Wir erkennen also, dass es seit Beginn der Industrialisierung vermehrt INNERSTÄDTISCHE Wanderungen von Bevölkerungsschichten gab und gibt. Immigranten vertrieben Immigranten der zweiten Generation, aber auch umgekehrt: durch Verbesserung der Lebensumstände kann es dazu kommen, dass ärmere Bevölkerungsschichten aus Stadtteilen vertrieben werden, weil diese für reichere interessant geworden sind (in gewissem Maße wird das durch den Therm „Gentrifizierung“ bezeichnet). Wir können also verallgemeinert sagen: Eine Bevölkerungsschicht kann eine andere vertreiben. Die Bevölkerungsschicht könnte eine soziale Schicht sein, sie könnte auch eine Gruppe von Immigranten sein oder tatsächlich ein „Volk“ – wie die „heutigen Osmanen“ in Berlin, oder eine Siedlung von Schwarzen in Lyon. Nachdem ich also diese innerstädtischen Bewegungen gesehen habe, habe ich Überlegungen zu tatsächlichen „Völkerwanderungen“ angestellt. Wie kommt es, dass so viele „Neu-Osmanen“ nach Europa drängen und weshalb gibt es „Flüchtlingswellen“ von Afrikanern? Grob gesagt: Warum drängt Anatolien nach Mitteleuropa und Nordafrika nach Südeuropa? Gründe sind Platzmangel und Arbeitsmangel, aber auch bessere Aussichten. Manchmal auch einfach die Familie: Ein „Kundschafter“ kommt als Gastarbeiter und danach „pilgern“ die anderen Familienmitglieder nach. Und wo sie sich niederlassen, da werden sie als Fremde angesehen und, aufgrund des Mangels an Verständigung, nicht integriert. Als Fremde vertreiben sie dann – ungewollt – das ansässige Volk (Kreuzberg als bestes Beispiel), usw. Zusammenfassend würde ich also tatsächlich sagen, dass die Wanderungen der heutigen Zeit sich tatsächlich in verkleinerter Form im Mittelalter wiederspiegeln (bzw. die heutigen Wanderungen aus ähnlichen Gründen wie die Völkerwanderung des Mittelalters entstanden). – Und ich kann sagen: Die Ergebnisse meiner eigenen Überlegungen verblüffen mich… Seht ihr das auch so? Oder habe ich etwas wichtiges übersehen? Gruß MI PS: @Gasti: Dann wünsche ich dir weiterhin viel Spaß im Forum. Auf das das Forum wachse und wir alle weiter so viel voneinander lernen können! |
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| Verfasst am: 04. Jun 2006 12:28 Titel: Multikulti oder Völkerwanderung ? |
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| Die netten Schlußworte des "@ sirius" im vorhergehenden thread haben mich deshalb gefreut, weil ich ein Anhänger der These bin, daß wir (die Gesellschaft) eigentlich aus der Geschichte (mehr) lernen könn-(t)-en, als dies offenbar der Fall ist! Das Interesse an der Geschichte wach zu halten, bin ich gerne bereit etwas mitzuhelfen - z.B. hier in diesem Forum. Wir erleben seit etwa der Mitte des 20. JH ( ungern sag ich - seit dem Krieg, denn ... man kriegt sich doch gar nicht mehr vor lauter aktuellen Kriegen, als wären diese weniger scheußlich, als das, was manchen den "letzten Krieg" bezeichnen wollen !!) .... eine (Aus- bzw. Ein-) "Wanderung" - freilich, nicht ganzer Völker, aber immerhin sehr großer Menschenmassen. In unserem Lebensraum hören wir immer wieder den Begriff von der multikulturellen Gesellschaft und man möge beachten, daß sehr oft dieser Begriff mit dieser oder jener tendenzösen Würze verwandt wird. Seit ca. 50 Jahren ist diese "Wanderungsbewegung der Moderne" nun im Gange und - vermag jemand zu sagen, wie es in der Zukunft werden wird ? Kann man dieses Geschehen mit demjenigen vergleichen, was vor ca. 2000 - 1500 Jahren als "die Völkerwanderung" im eurasischen Raum stattfand und in das sog. "Mittelalter" mündete ? Sicherlich man müsste - man "kann" sogar einige Relativierungen setzen, zB.: 1) mögen damals ca. 50 Mio Menschen die Welt bevölkert haben - heute mehr als ca. 5 Milliarden, 2) v.a. die Technik hat das Sich- und das Bewegen von Nachrichten und Gütern beschleunigt - vielleicht um das 100fache? 3) Bildung und Wissen haben sich ebenfalls "angepasst" ... allerdings, mit einer vergleichbaren Multiplikation wie zu 1) und 2) tut man sich hier wohl schon sehr viel schwerer ( man könnte zwar eine Zunahme des Volumens des Schädelraum's von ca. 5 % heranziehen ... was aber besagt dies ? ). Um nun das Thema nicht ausufern zu lassen, möchte ich es auf unseren (europ. ) Lebensraum und in diesem Thread in Relation zum Mittelalter ( also ca. 500 - 1500 ) beschränken. "Wir in Europa" dürften es - sollte man meinen - doch relativ "einfach" gehabt haben, mit dem "Zusammenfinden zu neuen Staaten" - sind wir doch alle zeimlich "einheitlicher" Abstammung (?) - gallische und frühgermanische Kelten mit ein paar früheren "Indienwandererern" - führten doch wohl zur "einheitlichen Masse der Indogermanen" ! Nun - mag man versuchen "uns" dies so als "unsere Geschichte" zu verkaufen - ich denke hingegen, der damalige Gotland-Germane war vom Kelt-Iberer und vom Aremorica-Gallier ( ... einwenig Asterix ...) relativ gesehen, "weiter" entfernt, als heute der Kongolese oder der Südseeinsulaner vom deutschen Frankfurter ! - Will damit sagen: Das Problem der Integration von sich vermischenden Menschen ( es müssen gar keine "Völker" gewesen sein ) - war damals nicht größer als es heute ist - auch wenn es sich um die Begegnung von menschen handelte, die nur wenige 100 km voneinander entfernt sesshaft waren ! Und was sind "Völker" - wie groß müssen/können/dürfen diese sein um als Gesamtheit "wandern" zu können??? - Nun.: - Wenn in der Arena auf Schalke zum Schlußpfiff eines Spitzenspiels gepfiffen wird, ergiessen sich mehr Menschen auf die Straßen, als "damals" das gesamte Volk der Burgunder ( als es noch an der Oder lebte ) umfasste. Und wenn z.B. in Berlin ein Freundschaftsspiel der dt. Nationalmannschaft mit derjenigen der Türken stattfindet, dann wäre das aktuelle "osmanische Reich" größer, als es damals die "Bedrohung" (des Reiches) durch die Wenden, Sorben, usw. war. Und nun "pfeife ich mal zur Halbzeit": Im 10. JH besteht bereits das von Otto I. " dem Großen" begründete "Heilige Römische Reich" - aus dem Zusammenschluß der vier großen "Volksstämme" - Sachsen - Franken - Schwaben und Bayern. ( Man sieht - die Politik hat bereits das westfränkische Europa, das Kalifenreich in Hispanien oder auch die von Angeln- Sachsen, Iren und Nordmännern besetzen Inselwelten "ausgeklammert". ( vielleicht aber will ich damit auch nur andeuten, daß es auch "Nicht-Heilige" Staatsbildungen gab ? ). .... Ich möchte mit diesem Beitrag Diskussionen anregen, denn solche machen der Reiz in Foren aus ! - Ich habe daher einige Ereignisse aus unserer mittelalterlichen Geschichte angesprochen, die mit Reflektion auf unsere Zeit sehr wohl wichtige "Fundamente" ( vielleicht auch Werte ) geschaffen haben, auf der durchaus heute noch und auch mit "globaler Wirkung" aufgebaut werden kann ! für eine sich daraus (mal sehen ? ) entwickelnde Diskussion steht gerne bereit - Gasti |
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