Talh |
Verfasst am: 07. Jan 2008 02:23 Titel: |
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Ich hatte heute zuviel Zeit und habe mir mal ein paar Gedanken zum Thema gemacht. Vielleicht helfen dir, TcHamp, meine Überlegungen ein bisschen weiter.
TcHamP hat Folgendes geschrieben: | Ich baue das Modell mit Cinema 4D R10. |
Hach ja, das gute alte Cinema Vor ein paar Jahren habe ich Zellen für Bio in Cinema gebastelt, nicht um sie irgendwem zu zeigen, sondern just for fun und zum besseren Verständnis.
Zitat: | Ich will eigentlich eine ganze Reihe solcher Gebäude bauen,um sie der Community hier für Referate etc. zur Verfügung zu stellen. |
Das ist eine Kosten-Nutzen-Frage.
Meine Meinung: Für Schulreferate sind 3D-Rekonstruktionen unnötig. Zunächst wird dafür ein Computer und Beamer benötigt, was oft einen materiellen Zusatzaufwand zum Overheadprojektor/Diaprojektor darstellt. Computer machen ein Referat cool, aber ein Referat soll nicht cool sein, sondern informativ. Ich habe noch keinen Computervortrag erlebt, den man nicht auch ohne Computer hätte halten können. Für Unireferate wären deine Rekonstruktionen möglicherweise auch unnötig. Wer z.B. als Archäologiestudent ein zweistündiges Referat über einen griechischen Tempel hält, braucht sich über Quellenlage und Bildmaterial keine Sorgen machen. Höchstens, dass sie in einer unverständlichen Sprache verfasst sind oder irgendein Scherzkeks mal wieder ganze Quellenkataloge hat verschwinden lassen
Aber wann macht eine Rekonstruktion dann Sinn? Nun, für Unterrichtszwecke sollte sie alle verfügbaren Informationen so zusammentragen, dass sie andere Quellen, z.B. Fotos übertrumpft. Dazu ist mE ein sehr hoher Detailgrad nötig. Ich habe zum Beispiel im November ein Unireferat für ein archäologisches Proseminar gehalten, Thema war das Athener Schatzhaus in Delphi. Das war etwas besonderes, weil das Schatzhaus bereits selbst eine Rekonstruktion ist, man hat bei der Ausgrabung über 2/3 der Baumasse gefunden und es 1903-06 wiederaufgebaut. Aber die Archäologen haben einige Fehler gemacht, z.B. die Metopen (die kleinen Reliefs unter dem Giebel) willkürlich angeordnet. Eine 3D-Rekonstruktion könnte diesen Fehler ausbügeln und eine nach dem Stand der Wissenschaft korrekte Darstellung bieten. Auch haben meine Mitreferenten und ich im Referatskatalog leider fast keine Bilder von den zahlreichen Inschriften gefunden, mit denen die Marmorblöcke des Schatzhauses übersät sind. Das ist auch ein Punkt, wo eine 3D-Rekonstruktion sinnvoll sein kann. Oder wenn man strittige Punkte interpretiert und in der Rekonstruktion veranschaulicht; z.B. fehlt beim Schatzhaus das Dach und ob es nun mit Marmorplatten oder mit Tonziegeln bedeckt war, da scheiden sich die Geister. Eine Rekonstruktion könnte beide Varianten darstellen, anhand derer man beide Thesen erörtert. Allerdings begiebt man sich genau da auf dünnes Eis, denn man vermischt schnell Fakt mit Fiktion. Infotainment ist nicht der Sinn eines wissenschaftlichen Referats.
Ein hoher Detailgrad bedeutet Unmengen an Arbeit für den Rekonstrukteur. Alles muss recherchiert, verglichen und gegengeprüft werden, und über viele Details werden in der Wissenschaft z.T. hitzige Kontroversen geführt. Ein Bekannter von mir erstellt ein 3D-Modell des Frankfurter Flughafens. Er verbrachte in seiner Freizeit wohl schon mehrere Wochen damit, ihn rundum zu fotografieren, um möglichst realistische Texturen zu erhalten, von der Fassade der Gebäude bis zu den Nummernschildern der Follow Me-Cars. Zugegeben, die Akropolis und andere Ausgrabungsstätten sind wesentlich kleiner als der Frankfurter Flughafen, aber sicher ist: Wenn man detailliert arbeiten möchte, braucht man einen gigantischen Input an Material. Zu den Originalschauplätzen fahren und alles abfotografieren kostet Geld und Zeit, und Zeit kostet auch, alles auszuwerten und zu rekonstruieren.
Ich will nicht sagen, dass ein Hobbyprojekt keinen hohen und akademischen Anspruch haben kann, ganz im Gegenteil. Aber du solltest dir Gedanken machen, ob sich dieser Aufwand wirklich lohnt, wo eine Vereinfachung der Rekonstruktion und damit der Arbeitsprozesse sinnvoll ist und wo nicht, und wann du in Gefahr gerätst, an deiner Zielgruppe vorbei zu arbeiten. Vielleicht möchtest du deine Modelle aber für Computerspiele entwickeln? Es gibt beispielsweise eine hochaktive Community für Spiele wie z.B. Rome Total War, die auch immer auf der Suche nach guten 3D-Künstlern sind, um eigene Mods zu entwickeln.
Wenn du deine Rekonstruktionen anderen zur Verfügung stellen willst, halte ich die *.c4d-Dateien aber für ungeeignet. Cinema 4D R10 kostet Geld, das viele Schüler/Studenten nicht haben, und wenn man als Beilage zu Computerzeitschriften eine ältere Version erwischt, heißt das noch lange nicht dass sie mit den Dateien der neuen Version kompatibel sind. Vielleicht solltest du hier in Erwägung ziehen, auf Freeware umzusteigen, z.B. das sehr mächtige Blender.
Wie auch immer, ich hoffe, meine Überlegungen helfen dir vielleicht etwas. Eins weiß ich ganz genau: 3D-Modelle entwerfen ist Kunst, und der Mensch macht Kunst auch um der Kunst willen. Kunst an sich und von ihr zu lernen ist nie überflüssig Ich wünsche dir also viel Spaß und Erfolg mit deinem Projekt! |
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