Juergen |
Verfasst am: 11. Sep 2004 17:36 Titel: |
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Zitat: | Das erste Ghetto
ber Venedigs jdische Gemeinde
1516 verfgte der vezianische Senat, dass die Juden der Stadt fortan ausschlielich im Stadtteil Cannaregio leben sollten. Und zwar abgesondert von der brigen Bevlkerung und stndig kontrolliert von christlichen Wchtern. Der zugeteilte Ort war ringsum von Kanlen umgeben. Er hie, weil sich dort eine Gieerei (venezianisch: getto, von gettare = gieen) befand, Ghetto Nuovo. Begonnen hatte es im 10. Jahrhundert, mit dem Verbot, Juden und ihre Waren auf venezianischen Schiffen zu transportieren. Die jdischen Kaufleute galten als gefhrliche Konkurrenten. Auch die Einreise verwehrte der Senat den Juden bis weit ins 14. Jahrhundert. Die Juden betrieben in vielen norditalienischen Stdten bereits die dem Christentum damals verpnten Geldgeschfte.
Erst als Venedig dringend Geld bentigte, wurde das Verbot gelockert. Juden mussten hohe Steuern zahlen und als uere Erkennungszeichen erst einen gelben Kreis, spter einen roten Hut tragen; sie durften weder angesehene Handwerke ausben noch Grundstcke oder Huser besitzen. Die Juden mussten sich zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang hinter den Auenmauern zurckziehen. Die frhesten Ghettobewohner bauten die ersten beiden Synagogen, die Scuola Tedesca und die Scuola Canton. Doch bald zogen immer mehr Juden aus ganz Europa auf der Flucht vor den Pogromen zu. Um 1500 hat die Inquisition viele Juden aus Spanien vertrieben, denn um 1492 hat Ferdinand der Katholische alle Juden Spaniens und spter auch Portugals ausgewiesen. Die Bevlkerung des Viertels wuchs. 1541 siedelte man die meist reichen Juden aus dem stlichen Mittelmeer im Gebiet zwischen dem Ghetto Nuovo und dem Kanal von Cannaregio an. Man nannte es Ghetto Vecchio, 1643 fgte man noch einen dritten Teil, das Ghetto Nuovissimo, hinzu.
Die Ghettos waren ungesund, eng, und sie hatten nur begrenzten Platz. Der Platz wurde aufgeteilt und geschickt genutzt. Stockwerke wurden auf anderen Stockwerken errichtet, in Venedig erreichten diese Wolkenkratzer bis zu neun Etagen. Korridore und Treppen wurden in Zimmer umgewandelt. Trotz der beengten Wohnverhltnisse erlebte die jdische Gemeinde im spten 16. und frhen 17. Jahrhundert eine Blte. Insbesondere der Handel mit kostbaren Stoffen und Juwelen verhalfen zu Wohlstand. In dieser Zeit entstanden auch die zwei schnsten Synagogen Venedigs: die Scuola Levantina und die Scuola Spagnola. Im Laufe des 18. Jahrhunderts verschlechterte sich, parallel zu jener der Seerepublik insgesamt, auch die wirtschaftliche Lage der jdischen Gemeinde. Erlsung brachte erst Napoleon. Er verlieh den Bedrngten 1797 das freie Brgerrecht. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte fhlten sich die Juden als gleichberechtigte Brger. Allerdings beschloss Napoleon, die Kriegsausgaben zwischen Adel, Klerus und Juden aufzuteilen. Nach der Niederlage Napoleons kam es in der darauf folgenden Restauration zu einer Unterbrechung der Emanzipierung: Die Juden wurden erneut in Ghettos getrieben und teilweise auch ihrer Gleichheitsrechte beraubt. Erkennungszeichen mussten sie allerdings keine mehr tragen. 1866 erhielten die Juden von Knig Vittorio Emanuele II. schlielich die vllige rechtliche Gleichstellung.
Der Faschismus verfolgte die Juden anfnglich nicht. Mussolini behielt lange eine ambivalente Haltung gegenber der jdischen Gruppe bei. Erst als im Jahr 1938 die Beziehungen zwischen Mussolini und Hitler enger wurden, lie Mussolini das Manifesto del razzismo italiano (Manifest des italienischen Rassismus) drucken, das die Juden zu Brgern zweiter Klasse degradiert. Am 1.12. 1943 ordnete Mussolini die Inhaftierung aller Juden und ihre Verbringung ins KZ an. Heute, 50 Jahre nachdem 200 Bewohner des Ghettos in den Konzentrationslagern der Nazis umgekommen sind, leben nur mehr etwas ber 600 Juden in Venedig und gerade noch 15 Familien in ihrem angestammten Viertel. Ihrem Sinn fr Gemeinschaft und Tradition ist es zu verdanken, dass sich der einst berchtigte Sperrbezirk bis in die Gegenwart eine gewisse Eigenart bewahren konnte; dass die Bethuser noch all sabbatlich besuchte Orte des Glaubens sind; dass das jdische Altersheim, die Hebraica - Lden und das kleine koschere Restaurant noch existieren.
Quelle: http://fp.tsn.at/hs-abschluss/venedig.htm |
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