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Verfasst am: 01. Sep 2013 18:20 Titel: |
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Naja, Moderne ist das Neue, Antike ist das Alte. Das ist natürlich sehr schwammig, aber genau das ist das Problem mit dem Begriff an sich, er ist nicht wirklich wohldefiniert.
Wenn wir aber jetzt sagen: Die Moderne ist heute, dann ist die Frage, was ist das Alte?
Nehmen wir Politik. europäische Geschichte war dominiert von Monarchien, feudalen Systemen, Aristokratien für ca. 2000 Jahre - dann kommt plötzliche Demokratie, das war der politische Umbruch in die "Moderne".
Technik? In nur 150 Jahren hat sich die Welt so viel verändert wie in den 8000 Jahen zuvor nicht - Anfang der Moderne: industrielle Revolution. Die Art zu Arbeiten, zu Leben, all das hat sich mit der industriellen Revolution geändert.
Ganz spezifisch könnte man vielleicht den Beginn des 20. Jahrhunderts herausnehmen - in der Literaturgeschichte ist das die "Moderne". Was heißt das jetzt? Große Werke der Moderne sind "A la recherche du temps perdu" von Proust in Frankreich, "Ulysses" von Joyce und vor allen Dingen "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil in Österreich (auch wenn es da Gegenstimmen im Stil gibt - aber er beschreibt das Gefühl wirklich gut, wenn du das Gefühl um die Jahrhundertwende erleben willst, was Traditionsbruch bedeutet, dann lies das Buch).
Vielleicht erläutere ich das noch ein bisschen. was ich mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts meine:
Stell dir die Gesellschaft im 18. Jahrhundert vor. Fast alles Bauern, ein paar Leute leben in der Stadt, Handwerk ist Handarbeit, Aristokratie dominiert die Regierung. Kunst, Literatur, das ist alles für einen kleinen Zirkel an Leuten, es geht um Religion, Geschichte, glorreiche Gegenwart. So war es seit Anbeginn der Zeit - höchstens politisch gab's in der Antike zeitweise Unterschiede.
Und dann kommt die französische Revolution, die ersten Demokratien, die industrielle Revolution und die Arbeitsbedingungen ändern sich. Auch entsteht Bildung für Alle. Damit ändert sich die Aufgabe der Kunst, Literatur steht den Menschen offen, mit der Fotografie sind realistische Bilder überflüssig.
Anfang des 20. Jahrhunderts befinden wir uns da mitten im Umbruch: Die Leute fangen an Autos zu fahren - damit hat jeder Zugang zu erhöhter Mobilität (genauso mit dem Zug), immer mehr Leute zieht es in die Städte, weil die Landarbeit von Maschinen erledigt warden kann. Das ist Traditionsbruch.
Und das sieht man dann auch in allen Bereichen der Kunst:
Musik: Tonalität dominiert die europäische Musik. Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Verdi, Wagner. Aber im 19. Jahrhundert kommt es zu ersten Brüchen: Insb. Debussy hebt die Tonalität schon fast auf, bis dann mit Schönbergs Zwölftonmusik etwas ganz neues anfängt - in keiner Tradition zu Wager und Co.
Kunst: Historienbilder, religiöse Themen, Porträts, Stillleben und Landschaften. Viel mehr wirst du vor Beginn des 19. Jahrhunderts nicht finden, aber dann kommen Impressionismus, Expressionismus und immer abstraktere Kunstformen und alles, was man heute "moderne Kunst" nennt. Kandinsky, Matisse, van Gogh, Mark, Klimt, all das entsteht auf der Suche nach dem Verständnis einer neuen Welt. Damals war das Provokation, was Neues. Es gab in den Achzigern eine englischsprachige achtteilige Serie vom Kunstkritiker Robert Hughes "The Shock of the New", da wird das sehr schön beschrieben.
Literatur: Neue Formen des Schreibens entstehen - insbesondere innere Monologe und so weiter und so fort. Gab's auch alles nicht.
Gruß
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